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Nr. 39/2005 Streichung der oralen / rektalen Formen von Novalgin aus der AML
Novalgin (INN: Metamizol) wird in oralen und rektalen Darreichungsformen im USB und den externen Spitälern relativ häufig und breit eingesetzt (Verbräuche der letzten 12 Monate: Novalgin 500 mg Tabl. 955 Pack., Novalgin Tropfen 5'682 Flaschen, Novalgin 1 g Supp. 203 Pack.).

Aufgrund des Agranulozytose-Risikos hat die AMK des USB beschlossen, sämtliche oralen und rektalen Darreichungsformen von Novalgin aus der AML zu streichen und in der Spital-Pharmazie nicht mehr bevorraten zu lassen. Die AMK des UKBB hat sich diesem Votum angeschlossen.

Folgende Präparate sind betroffen:

  • NOVALGIN, TABL. 500 MG 50 (SAP-Nr. 4001144)
  • NOVALGIN, TROPFEN 50% 10 ML (SAP-Nr. 4001145)
  • NOVALGIN, SUPP. 1 G 5 (SAP-Nr. 4001143)

In Zusammenarbeit mit der Klinischen Pharmakologie des USB wird dieser Schritt wie folgt begründet:

Der hohe Verbrauch oraler Formen von Metamizol im USB lässt sich kaum rational erklären. Zum einen gibt es keine gute Evidenz, dass Metamizol bei postoperativen Schmerzen [1] oder Nierenkoliken [2] anderen Analgetika überlegen wäre, zum anderen besteht ein gesicherter Zusammenhang zwischen Metamizol-Einnahme und schwerwiegenden, mitunter letal verlaufenden hämatologischen Nebenwirkungen, insbes. Agranulozytose.

Dieses negative Nutzen/Risiko-Profil der Substanz begründet die Streichung aller oralen Formen aus der Arzneimittelliste des USB.

Die Agranulozytose-Problematik unter Metamizol wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. In den 70-er Jahren wurde die Agranulozytose-Inzidenz mit 0.1% beziffert. Spätere epidemiologische Studien haben diese Zahl auf 1.1 / 1Mio Anwender nach unten korrigiert (zitiert in [3]). Die Autoren von [4] erachten das Auftreten von (z.T. letal verlaufender) Agranzulozytose als relativ häufig. Die Inzidenzangaben sind regional unterschiedlich zwischen 1 / 3000 bis 1.1 / 1 Mio Anwender, ein Reporting-Bias wird diskutiert. Eine Hochrechnung von 1989 schätzte weltweit 7000 Agranulozytosefälle pro Jahr durch Metamizol [in 4].

Neuere methodisch gute Studien [5,6] errechneten eine Inzidenz von ca. 1 Fall pro 1400 bis 1 pro 31'000 Verschreibungen von Metamizol. In einer spanischen Fallkontrollstudie [7] wurde ein relatives Risiko, unter Metamizol-Exposition eine Agranulozytose zu entwickeln, von 25.8 (Konfidenzintervall 95%: 8.4-79.1) ermittelt. Die Agranulozytose-Letalität unter Metamizol wird mit 12%-32% angegeben [zitiert in 8].

In einer epidemiologischen Studie durch die Pharmakovigilance in Holland über einen Zeitraum von 20 Jahren (1974-1994) [8] war Metamizol die häufigste gemeldete Ursache medikamentös-induzierter Agranulozytose. Zwölf Prozent Fälle mit letalem Verlauf wurden bei dieser Aufschlüsselung nicht berücksichtigt. In Spanien wurden 19 medikamentös-induzierte Agranulozytosefälle analysiert, wobei Metamizol und Ticlopidin am häufigsten involviert waren [9].

Der Beginn einer Agranulozytose unter Metamizol ist unvorhersehbar. Tödliche Fälle ereigneten sich sowohl nach Langzeit- als auch nach kurzer Therapie. Das Auftreten innerhalb von Stunden im Rahmen einer Überempfindlichkeitsreaktion wird diskutiert.

Der Einsatz der parenteralen Form von Metamizol ist von diesem Beschluss nicht betroffen, obwohl das Sicherheitsprofil bei allen galenischen Formen identisch ist. Die Arzneimittelkommission erhofft sich jedoch, dass der Einsatz der parenteralen Form nur in begründeten Fällen erfolgt nach Abwägung von möglichen nebenwirkungsärmeren Alternativen. Novalgin 50% Amp. 2 ml (SAP-Nr. 4001696) bleiben weiterhin in der AML gelistet und in der Spital-Pharmazie an Lager.

Alternativen

  • Dafalgan Filmtabletten / Brausetabletten / Odis Schmelztabletten (vgl. AML)
  • Brufen Filmtabletten / Retarddragées / Brausegranulat (vgl. AML)
  • Mephadolor Filmtabletten / Retardtabletten / Suppositorien (vgl. AML)
  • Voltaren Dragées / Suppositorien (vgl. AML)
  • Tramal Tropfen / Kapseln / Suppositorien (vgl. AML)
  • Pethidin Tabletten 25mg 20 Stk.
  • Valoron Kapseln 50mg 20 Stk. / Valoron Tropfen 50mg/0.5ml 20ml

PM 39-2005

[30. Nov. 2005] Weiterempfehlen Weiterempfehlen